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BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

OV Pfaffenhofen a.d. Ilm

Hartz IV – Streit ohne Ende?

24.02.11 –

Die Wellen schlagen hoch im Streit um Hartz IV – geht es der Opposition wirklich nur darum, vor den Landtagswahlen zu punkten oder ist die Kritik gerechtfertigt?

Dazu ein paar sachliche Informationen.

Wie funktioniert ALG II (=Hartz IV)?

Die Idee war auf der einen Seite die Arbeitslosen zu fördern, indem ihre Grundbedürfnisse erfüllt werden und sie (fast) alle Leistungen der Arbeitsförderung erhalten, also Weiterbildung, Bewerbungshilfen etc. Auf der anderen Seite sollten Arbeitslose auch gefordert werden, indem von Ihnen die Arbeitssuche gefordert wird und ein Verstoß gegen die Anforderungen mit Leistungenkürzen bestraft wird.

Gezahlt wird seit 2005 ein monatlicher Grundbetrag (Regelsatz), der sich um bestimmte Beträge, etwa bei Alleinerziehenden oder Behinderten oder nach dem Bezug von ALG I erhöht. Daneben wird die Wohnung finanziert, also die Miete, die Nebenkosten und die Heizkosten – sofern sie angemessen sind, worüber man schon immer trefflich streiten konnte.

Die Leistungen hatten schon immer eine gewisse Nähe zur Sozialhilfe, nicht nur, weil sie nicht sehr hoch sind, sondern auch, weil sie nur gewährt werden, wenn sich der Betroffene nicht selber helfen kann. Das führt praktisch dazu, dass fasst jedes Vermögen verwertet werden muss und andere Leistungen vorweg beantragt werden müssen. Dazu gehören z.B. Kindergeld, Wohngeld, Elterngeld und alle anderen staatlichen Leistungen. Eine zeitlang musste auch die Altersrente ohne Rücksicht auf Verluste durch Rentenabschläge zum frühest möglichen Zeitpunkt beantragt werden.

Die Urteile der Gerichte haben viele Streitfragen geklärt und manche komplizierte Regelung noch komplizierter gemacht. Aus der Praxis darf außerdem berichtet werden, dass die Behörden zwar ganz gut fordern können, es aber oft genug am fördern hapert. Es gelingt daher nicht allen Menschen, ihre Situation zu verändern.

Im Auge behalten muss man, wie Arbeitslosengeld finanziert wird. Die Kosten der Regelleistung, der Mehrbedarfe und der Eingliederungsleistungen zahlt die Bundesagentur für Arbeit. Die Städte und Gemeinden zahlen die Kosten von Unterkunft und Heizung, einmalige Leistungen und flankiernde Dienstleistungen.

Zuletzt muss man sich auch darüber informieren, wer ALG II bezieht. Etwa ein Drittel der ALG II-Empfänger sind nämlich Kinder und ihre Mütter. ALG II wird auch häufig kurz vor dem Rentenalter bezogen.

Worum wird gestritten?

Kritik findet der Regierungsentwurf an zwei Stellen. Zum einen bei der Berechnung der Regelsätze, die ich oben als Grundbetrag bezeichnet habe. Zum anderen bei der Gestaltung einzelner Leistungen.

Für die Ermittlung der Regelsätze hat die Bundesregierung den Bedarf der Bedürftigen daran gemessen, was diese verbrauchen. Das ist aber ein Zirkelschluss. Maßgeblich ist, was, die untersten zwanzig Prozent der Einkommensbezieher verbrauchen. Das kann man ermitteln, indem man das Einkommen der untersten 30 % der Einkommensbezieher ermittelt und daraus die Bezieher von Sozialhilfe, die Aufstocker von ALG II und die verdeckte Armut herausrechnet. Außerdem hat die Regierung einen Teil der Verbrauchspositionen aus der Statistik herausgenommen. Damit werden die Ausgaben kleingerechnet, die aber eigentlich anfallen oder anfallen können und deswegen berücksichtigt werden müssen.

Einzelne Leistungen werden ganz gestrichen oder pauschaliert. Die Strafvorschriften werden verschärft und die Möglichkeiten verringert, Bescheide der Verwaltung überprüfen zu lassen.

Was heißt das praktisch?

Nehmen wir die Familie Josef und Maria Huber mit dem dreijährigen Sohn Max wohnhaft in Pfaffenhofen. Josef hat bis 31.12.10 1800 EUR Arbeitslosengeld bezogen. Maria ist Hausfrau und kümmert sich um die Erziehung von Max. Sie hat keine eigenen Einkünfte. Die Familie bewohnt eine 90-qm Wohnung, für die sie eine Miete von 800 EUR zuzüglich Nebenkosten von 60 EUR und Heizkosten von 80 EUR zahlt.

Die Leistungen für die Familie stellen sich wie folgt dar:

Akutelle Rechtslage

Regelsatz 359 EUR

Geplante Regelungen

Regelsatz 364 EUR

Bei Ehegatten gekürzt auf 90 %=2x 323 EUR =

646€

Bei Ehegatten gekürz auf 90 %=2x327,60 EUR =

655,20€

Sozialgeld für Max

215€

Sozialgeld für Max

218,40€

Zuschlag nach ALG I für Josef

160€

Zuschlag nach ALG I für Josef

entfällt

Zuschlag nach ALG I für Maria

160€

Zuschlag nach ALG I für Maria

entfällt

Zuschlag für Max

60€

Zuschlag für Max

entfällt

Miete

800€

Miete

800€

Nebenkosten

   60€

Nebenkosten

   60€

Heizkosten

   60€

Heizkosten

   80€

Summe

2.181€

Summe

1.813,60€

 

Angerechnet wird das Kindergeld für Max als Einkommen, also zahlt die ARGE 184 EUR weniger als berechnet.

Obige Berechnung ist insoweit geschummelt, als die Höchstsätze für den Zuschlag nach ALG I angesetzt wurden, verdeutlicht aber, welche Kürzungen auf Familien zukommen können.

Eine Leistung, die viele ALG II-Bezieher nicht wahrnehmen, die aber nicht zu unterschätzen ist, ist die Zahlung von Beiträgen zur Rentenversicherung. Sie wird künftig entfallen.

Nach sechs Monaten Bezugsdauer will das Jobcenter, das die Familie umzieht, denn die Wohnung ist zu groß. Angemessen sind allenfalls 80 qm. Das Jobcenter übernimmt von diesem Zeitpunkt an auch nur die angemessenen Vorauszahlungen für Heizkosten und Nebenkosten. Die Praxis hat sich nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts darauf verständigt, die Höchstbeträge nach dem Wohngeldgesetz zugrundezulegen und noch 10 % hinzuzufügen. Pfaffenhofen hat Mietstufe 4. Es ergäbe sich eine angemessene Miete 517,00 EUR + 10 %, also 568,70 EUR. Tja, da fehlen schon mal 231,30 EUR. Die Kosten des Umzugs sind eine Ermessensleistung, „können“ also erbracht werden. Mietkautionen werden regelmäßig als Darlehen erbracht. 

Nach der geplanten Regelung werden angemessene Mieten künftig entweder durch eine Satzung des Landkreises bestimmt oder der Landkreis darf eine Pauschale zahlen – natürlich gibt es auch eine Härtefallregelung. Raten Sie mal, was passieren wird. Die jetzige Regelung war nämlich eine Verbesserung gegenüber dem Vorgehen der Behörden.

Spinnen wir unseren Fall weiter: Maria bekommt einen Nebenjob und erhält 100,00 EUR monatlich netto. Nach der jetzigen Regelung bleibt dieses Einkommen anrechnungsfrei. Sie darf das Geld behalten, ohne dass das Arbeitslosengeld II gekürzt wird. Wie das künftig geregelt wird, ist bisher unklar. Also vielleicht – oder auch nicht.

Maria und Josef geraten – schon wegen der Mietdifferenz - in Schulden. Marias Mutter erbarmt sich ihrer und gewährt ein Familiendarlehen von 2000 EUR, dass in besseren Zeiten natürlich zurückgezahlt werden muss. Bis jetzt war das kein Einkommen. Da nicht auszuschließen ist, dass Maria und Josef damit auch ihren Lebensunterhalt bestreiten, ist das nach der neuen Regelung Einkommen, mit der Folge, dass weniger Arbeitslosengeld II gezahlt wird.

Dafür gibt’s das Bildungspaket, dass allerdings umgehenden Gerüchten zufolge so komplziert sein soll, dass sich die Städte und Gemeinden jetzt schon entsetzt fragen, wie sie es umsetzen sollen. 

Vorstehendes ist nur ein Überblick ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Festzustellen bleibt, dass die Betroffenen auch mit fünf Euro mehr Regelsatz monatlich wenig zu lachen haben werden.

 

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