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Biodiversität im Wald - eine spannende Entdeckungstour

18.05.22 – von Ursula Gross-Dinter –

Zur zweiten gemeinsamen Unternehmung hatten die Jetzendorfer Grünen mit ihrer Offenen Wandergruppe für den 1. Mai eingeladen. Wie schon bei der ersten Wanderung rund um den Ort im Januar war auch dieses Mal der Zuspruch groß: Achtzehn Naturfreunde waren aus Jetzendorf, Pischelsdorf und Reichertshausen zum Treffpunkt am Waldkletterpark gekommen, um von dort zu einer Entdeckungstour in das Frauenholz zwischen Steinkirchen und Gründholm aufzubrechen. Begleitet wurden sie von der Jetzendorferin Angela Grau; sie ist Mitglied der Naturschutzwacht im Landkreis Pfaffenhofen, ist seit 15 Jahren im Amphibienschutz aktiv und wurde für ihr Engagement für den Natur- und Artenschutz 2021 vom bayerischen Umweltminister als „Grüner Engel“ ausgezeichnet. 

Einen ersten Stopp legte die Gruppe bei der Überquerung des Purrbachs ein, wo die - den meisten Einheimischen bekannte - vom Biber in ihrer faszinierenden Vielfalt gestalte Landschaft bestaunt werden konnte. Oder jedenfalls das, was nach dem Verschwinden des riesigen Sees noch davon sichtbar ist. Dass das mit 1,30 Meter Größe und 30 Kilogramm Gewicht größte europäische Nagetier aber nicht nur ein eifriger Landschaftsbauer, sondern auch ein Arten- und Klimaschützer par excellence ist, erläuterte Angela Grau den interessierten Wanderern. In den durch den Bau von Dämmen aufgestauten Gewässern und Feuchtflächen entsteht durch großflächige Verdunstung über Pflanzenoberflächen ein kühlendes Mikroklima. Schön wäre es, wenn wieder Biber in das Gebiet am Purrbach zuwandern würden.

Am Treffpunkt im Frauenholz angekommen, wurde die Gruppe von Förster Jakob Kürzinger in Empfang genommen. Kürzinger, der schon in seiner aktiven beruflichen Zeit seit 1979 für diesen zum Pfarrverband Fahrenzhausen-Haimhausen gehörenden Kirchenwald Inhausen zuständig war und ihn seit seiner Pensionierung 2015 im Rahmen eines Waldpflegevertrages weiter betreut, zeigte sich erfreut über die große Teilnehmerzahl und das Interesse. Der knapp 50 Hektar große Wald geht auf das Vermächtnis zweier adliger Damen zurück - neben weiteren Vermögensübereignungen an die Filialkirche Maria Himmelfahrt das sogenannte Benefizium aus dem Jahr 1457 - und ist noch heute im Eigentum der Filialkirchenstiftung Inhausen. In diesem Zusammenhang erfuhren die Teilnehmer auch, dass in Bayern über 55 Prozent der Waldfläche in Privateigentum sind; im Durchschnitt halten die rund 700.000 privaten Waldbesitzer nicht mehr als zwei Hektar Fläche und genießen große Freiheit bei der Bewirtschaftung. 

Nach dieser kurzen Einführung startete die Gruppe mit dem Förster zu ihrer Tour von Etappe zu Etappe, auf Wegen und „auf Abwegen“ durchs Unterholz, von einer spannenden Entdeckung zur nächsten. Im Mittelpunkt stand dabei die zentrale Zielsetzung Kürzingers, nämlich den Wald fit zu machen für den Klimawandel, ihn umzubauen von einer Monokultur - Stichwort „Brotbaum“ Fichte - zu einem gesunden Mischwald und ihn so zu gestalten, dass Lebensräume für viele Arten entstehen oder erhalten bleiben. Und so führte die Runde durch Bestände mit noch wenigen Fichten, aber vor allem Tannen, Lärchen, Buchen. Unter den Nadelbäumen exemplarisch für diese langfristig angelegten Bemühungen sind Weißtannen, die mit ihren tief reichenden Pfahlwurzeln Trockenheit und Stürmen sehr viel besser standhalten als die flach wurzelnden Fichten. Einige stattliche Exemplare konnten auf der Wanderung bestaunt werden. In einem von noch winzigen Tannen übersäten Waldstück erfuhren die Teilnehmer, für wieviel Nachwuchs allein zwei Bäume dieser Art sorgen können. Um die Jungpflanzen vor Verbiss zu schützen, setzt Kürzinger nicht auf die mit Blick auf die Entsorgung problematischen Plastikhüllen, wie man sie vielerorts sieht, sondern sprüht ein chemisches Mittel auf. Auch seltene Baumarten wie Speierling, Elsbeere und Eibe gab es zu sehen. 

Der Umbau des Waldes erfolgt dabei keineswegs durch ökologisch schädliche Kahlschläge  und anschließende Neuanpflanzung. Vielmehr werden gezielt einzelne Bäume entnommen. Diese sind mit roten Punkten gekennzeichnet, eine Information, die neugierige Nachfragen seitens der Teilnehmer auslöste. Denn wer jemals rätselnd vor verschiedenen Baummarkierungen gestanden hat, erhielt vom Forstfachmann kompetente Auskunft: Im Frauenholz stehen Streifen für sogenannte Rückegassen als verpflichtende Orientierung für den Abtransport gefällter Bäume und zur Schonung des Waldbodens außerhalb; weiße Punkte für aufgeastete Bäume, bei denen zur Erzielung besserer Holzqualität und für besseren Lichteinfall auf den Boden die unteren Äste entfernt wurden; Wellenlinien für besonders geschützte Bäume, auf deren Nutzung für zwölf Jahre verzichtet wird und die seltenen, bedrohten einheimischen Tier- und Pilzarten einen Lebensraum bieten. Allein vierzig solcher Biotopbäume - Höhlenbäume und Totholz - sind im Inhauser Kirchenwald zertifiziert. Dass sie beispielsweise von Spechten eifrig genutzt werden, konnte an einigen Exemplaren bewundert werden. Dass vor dem Specht - Förster Kürzingers besonderer Freund, wie er den Naturfreunden immer wieder lachend bestätigte - aber andere Arten geschützt werden müssen, wurde anhand von sorgfältig mit Drahtgittern abgedeckten Ameisenhügeln demonstriert. Der wuselnde Nachwuchs dort muss vor dem Zugriff durch die hungrigen Vögel bewahrt werden, zumal wenn sich das Nest direkt neben einem vom Specht behackten stehenden Totholz befindet. 

Bewundert wurden noch von Angela Grau und ihren Mitstreitern im Naturschutz aufgehängte Starenkästen, mit viel Mühe angelegte und gepflegte Tümpel für Amphibien wie Molche und Gelbbauchunken - besonders beeindruckend die große ausgebaggerte Anlage Richtung Gründholm -, zahlreiche Spechthöhlen, ein Hornissennest, Baumschwämme, eine Dendrotelme - ein durch Stammverzweigungen entstandener Kleinstlebensraum - und - fraglos einer der Höhepunkte der Führung - ein riesiger, über vielleicht 50 Meter verzweigter, vermutlich zweistöckiger Dachsbau mit mehreren Ausgängen, in dem, so wusste Förster Kürzinger zu berichten, ein ganzer Clan lebt, wahrscheinlich etwa zehn Individuen. Wie reinlich diese Tiere sind, wurde den Wanderern klar, als sich die kleinen Vertiefungen vor den Ausgängen als „Outdoor-Toiletten“ entpuppten und daneben ein vom Dachs, - einem Alles-, aber eben auch Aasfresser - säuberlich geputzter Rehschädel gefunden wurde.

Am Waldrand neben einer mit Lichtnelken reich bestückten Wiese genossen die Wanderer den herrlichen Ausblick über das Ilmtal und waren sich, da inzwischen sogar die Sonne herausgekommen war, einig: „Warum in die Ferne schweifen…“. Als sich dann noch einer der seltenen Schwarzspechte mehrere Male im Flug zeigte, stand für alle fest: „Sieh, das Gute liegt so nah.“

Nach rund acht Kilometern Wegstrecke und gut vier Stunden Gehzeit waren die Wanderer wieder zurück am Kletterpark. Höchst zufrieden mit all dem Gelernten und Erlebten und begeistert. Denn glücklicherweise war es ihnen ja besser ergangen als dem Brautpaar, das, nachdem seine Kutsche ins Rutschen gekommen war, in dem heute als Brautlache bezeichneten und mit einem Gedenkkreuz markierten Tümpel ertrunken war, und besser auch als den Bauersleuten vom Speckhof, die auf dem Weg zum Gänsekaufen in Gründholm mitten im Wald von einem Ungeheuer erschreckt und vertrieben worden waren. Vertreiben lassen sollte sich wirklich niemand. Denn das Frauenholz ist einen Besuch wert!

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